1 Diagnose, 1.1 Diagnosekriterien

1.1.1 ICD10 Asperger-Syndrom F84.5



A: Sprache und kognitive Entwicklung

  • Es existiert keine klinisch bedeutsame allgemeine Verzögerung in der gesprochenen oder rezeptiven Sprache oder in der kognitiven Entwicklung. Die Diagnose verlangt, dass bis zum Alter von zwei Jahren oder früher einzelne Worte gesprochen werden können, und dass bis zum Alter von drei Jahren oder früher kommunikative Redewendungen benutzt werden.
  • Fähigkeiten zur Selbsthilfe, anpassungsfähiges Verhalten und Wissensbegierde in Bezug auf das Umfeld sollten um das dritte Lebensjahr herum auf einem mit der normalen intellektuellen Entwicklung übereinstimmenden Niveau liegen.
  • Dennoch können motorische Meilensteine etwas verzögert sein, und die motorische Unbeholfenheit ist die Regel (obwohl kein notwendiges diagnostisches Merkmal).
  • Es bestehen häufig einzelne spezielle Fertigkeiten, die sich meist auf abnorme Beschäftigung beziehen, aber sie sind für die Diagnose nicht relevant.



B: Soziale Interaktion

Qualitative Abnormitäten in der wechselseitigen sozialen Interaktion zeigen sich in mindestens zwei der folgenden Merkmale:

a) Unvermögen, einen angemessenen Blickkontakt herzustellen und aufrechtzuerhalten, Mängel in Mimik und Körperhaltungen, Mängel in der Gestik zur Regulierung der sozialen Interaktion;

b) Unvermögen (in einer dem geistigen Alter entsprechenden oder trotz ausreichender Gelegenheiten), Beziehungen zu Gleichaltrigen zu entwickeln, die das Teilen von Interessen, Aktivitäten und Emotionen betreffen

c) Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit, die sich in einer unzulänglichen oder von der Norm abweichenden Reaktion auf die Emotionen anderer Menschen zeigt; oder der Mangel an Verhaltensmodulation gemäß dem sozialen Kontext; oder eine geringe Integration der sozialen, emotionalen und kommunikativen Verhaltensweisen;

d) fehlender spontaner Wunsch, mit anderen Menschen Vergnügen, Interessen und Errungenschaften zu teilen (z.B. mangelndes Interesse, anderen Menschen Gegenstände, die dem Betroffenen wichtig sind, herzubringen oder darauf hinzuweisen;



C: Verhaltensmuster Interessen und Aktivitäten

ungewöhnlich starkes, sehr spezielles Interesse oder begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten, die sich in mindestens einem der folgenden Bereiche manifestieren:

a) konzentrierte Beschäftigung mit stereotypen und begrenzten Interessen, die in Inhalt oder Gebiet abnorm sind; oder eine oder mehrere Interessen, die in ihrer Intensität und ihrer speziellen Natur, aber nicht in Inhalt oder Gebiet begrenzt sind

b) zwanghafte Befolgung spezifischer, nonfunktionaler Routinen oder Rituale

c) stereotype und repetitive motorische Manierismen, die entweder das Flattern oder Drehen mit Händen oder Fingern oder komplexe Ganzkörperbewegungen mit einschließen

d) Beschäftigungen mit Teil-Objekten oder nonfunktionalen Elementen oder Spielmaterialien (wie den dazugehörigen Farben, dem Gefühl, das die Oberfläche vermittelt, oder dem Geräusch/der Vibration, das sie hervorrufen). och kommt es seltener vor, dass diese Merkmale motorische Manierismen oder Beschäftigungen mit Teil-Objekten oder nonfunktionalen Elementen der Spielmaterialien einschließen.



D: Abgrenzung:

Die Störung ist den anderen Varianten der tiefgreifenden Entwicklungsstörung nicht zuzuschreiben, wie: einfache Schizophrenie, schizo-typische Störung, Zwangsstörung, anankastische Persönlichkeitsstörung, reaktive und enthemmte Bindungsstörungen der Kindheit.





1.1.2 Gillberg-Kriterien


Asperger Syndrom: Diagnosekriterien nach Gillberg & Gillberg (1989)



(1) Soziale Beeinträchtigung (extreme Ich-Bezogenheit):  (mindestens zwei der folgenden Merkmale)

a) Schwierigkeiten, mit Gleichaltrigen zu interagieren

b) mangelnder Wunsch, mit Gleichaltrigen zu interagieren

c) Schwierigkeiten, soziale Signale zu verstehen

d) sozial und emotional unangemessenes Verhalten



(2) Eingeengte Interessen  (mindestens eins der folgenden Merkmale)

a) Ausschluss anderer Aktivitäten

b) repetitives Befolgen der Aktivität

c) mehr Routine als Bedeutung



(3) Repetitive Routinen  (mindestens eines der folgenden Merkmale)

a) die jeden Lebensbereich des Betroffenen beeinflussen

b) die andere beeinflussen



(4) Rede- und Sprachbesonderheiten

(mindestens drei der folgenden Merkmale)

a) verzögerte Entwicklung

b) (oberflächlich gesehen) perfekter sprachlicher Ausdruck

c) formelle, pedantische Sprache

d) eigenwillige Prosodie (Sprachmelodie), besondere Stimm-Merkmale

e) beeinträchtigtes Verständnis, einschließlich Fehlinterpretationen von wörtlichen / implizierten Bedeutungen



(5) Nonverbale Kommunikationsprobleme  (mindestens eins der folgenden Merkmale)

a) begrenzte Gestik

b) unbeholfene / linkische Körpersprache

c) begrenzte Mimik

d) unangemessener Gesichtsausdruck

e) eigenartig starrer Blick



(6) Motorische Unbeholfenheit 
Schlechtes Abschneiden in Tests zur Untersuchung der neurologischen Entwicklung







1.1.3 DSM 5



Autismus-Spektrums-Störungen im DSM V (Entwurf)

Kriterien A, B, C und D müssen erfüllt sein



A: Dauerhafte Defizite der sozialen Kommunikation

Überdauernde Defizite der sozialen Kommunikation und der sozialen Interaktion, die nicht durch eine allgemeine Entwicklungsverzögerung erklärt werden können und sich in allen drei der folgenden Bereiche manifestieren:

(1) Defizite der sozial-emotionalen Reziprozität, die von merkwürdiger sozialer Kontaktaufnahme, über eine durch einen Mangel gemeinsamer Interessen, Emotionen, Gefühle und Responsivität bedingte Unfähigkeit ein Gespräch aufrechtzuerhalten, bis zum völligen Fehlen der Initiierung sozialer Interaktionen reichen können.

(2) Defizite im non-verbalen, kommunikativen Verhalten, wie es für soziale Interaktionen eingesetzt wird, die von mangelhafter Integration verbaler und non-verbaler Kommunikation über Auffälligkeiten beim Blickkontakt und der Körpersprache oder Defiziten beim Verständnis und Gebrauch non-verbaler Kommunikation bis zum völligen Fehlen von Mimik und Gestik reichen können.

(3) Defizite bei der dem jeweiligen Entwicklungsstand (über die Bezugspersonen hinausgehenden) entsprechenden Aufnahme und Aufrechterhaltung von Beziehungen, die von Schwierigkeiten, das Verhalten der jeweiligen sozialen Situation anzupassen über Schwierigkeiten, an „als-ob“-Spielen teilzunehmen und Freundschaften zu schließen bis zum offenkundigen Desinteresse an Menschen reichen können.



B: Beschränkte repetitive Verhaltensmuster

Beschränktes repetitives Muster von Verhalten, Interessen oder Aktivitäten, das sich durch mindestens zwei der folgenden Verhaltensmuster äußert:



(1) stereotype(r) oder repetitive(r) Sprache, Bewegungen oder Gebrauch von Objekten; (z.B. einfache motorische Stereotypien, Echolalie, repetitiver Gebrauch von Objekten oder idiosynkratische Sprache).

(2) Exzessives Haften an Routineabläufen, ritualisierten Mustern verbalen oder nonverbalen Verhaltens, oder exzessiver Widerstand gegenüber Veränderungen; (z.B. motorische Rituale, Bestehen auf immer gleichen Wegen oder immer gleichen Nahrungsmitteln, wiederholtes Fragen oder extreme Irritation bei kleinen Veränderungen).

(3) Höchst eingeschränkte, fixierte Interessen, ungewöhnlich bzgl. Intensität oder Gegenstand; (z.B. außergewöhnliches Haften an oder Beschäftigung mit ungewöhnlichen Objekten; exzessive, umschriebene oder immer wiederkehrende Interessen).

(4) Hyper- oder Hypo-Reaktivität gegenüber sensorischen Reizen oder ungewöhnliches Interesse an sensorischen Aspekten der Umgebung; (z.B. offensichtliche Indifferenz gegenüber Schmerz / Hitze / Kälte, paradoxe Reaktion auf spezielle Geräusche oder Muster, exzessives Beriechen oder Berühren von Gegenständen, fasziniert sein von Lichtern oder bewegten Objekten)



C: Symptome müssen in der frühen Kindheit auftreten (können aber solange latent bleiben, bis die sozialen Anforderungen die beschränkten Fähigkeiten überfordern)



D: Die Gesamtheit der Symptome beschränkt bzw. verschlechtert die Alltagsbewältigung





Schweregrad 1 / benötigt Unterstützung



Soziale Kommunikation:

  • Ohne Unterstützung verursachen Defizite der sozialen Kommunikation erkennbare Beeinträchtigungen
  • hat Schwierigkeiten soziale Interaktionen zu initiieren
  • eindeutige Beispiele untypischer oder erfolgloser Reaktionen auf soziale Angebote
  • scheinbar geringes Interesse an sozialen Interaktionen



Eingeschränkte Interessen, repetitives Verhalten

  • Rituale und repetitives Verhalten (RRBs) interferieren deutlich mit der Funktionalität in einem oder mehreren Kontexten
  • Weist Versuche anderer, seine RRBs zu unterbrechen oder von fixierten Interessen abgelenkt zu werden, zurück.





Schweregrad 2 / benötigt weitgehende Unterstützung



Soziale Kommunikation:

  • deutliche Defizite bzgl. verbaler und nonverbaler sozialer Kommunikationsfähigkeit
  • Funktionsbeeinträchtigung schwerwiegend
  • soziale Beeinträchtigung trotz vorhandener Unterstützung
  • eingeschränkte Initiierung sozialer Interaktionen
  • geringe oder ungewöhnliche Reaktion auf soziale Angebote anderer



Eingeschränkte Interessen, repetitives Verhalten

  • Eingeschränkte Verhaltensweisen oder Vorlieben und/oder ausschließliche Beschäftigungen oder fixierte Interessen treten so häufig auf, dass sie auch dem zufälligen Beobachter auffallen
  • Funktionalität in einer Vielzahl von Kontexten beeinträchtigt
  • Unbehagen oder Frustration, wenn Rituale/Routinen unterbrochen werden
  • kann nur schwer von fixierten Interessen abgelenkt werden





Schweregrad 3 / benötigt weitestgehende Unterstützung



Soziale Kommunikation:

  • schwere Defizite bzgl. verbaler und nonverbaler sozialer Kommunikationsfähigkeit
  • schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung
  • äußerst beschränkte Initiierung sozialer Interaktionen
  • minimale Reaktion auf soziale Angebote anderer



Eingeschränkte Interessen, repetitives Verhalten

  • Ausschließliche Beschäftigung, festgefahrene Rituale und/oder repetitive Verhaltensmuster
  • beeinträchtigen Funktionalität auf allen Gebieten
  • Deutliche Irritation, wenn Rituale oder Routinen unterbrochen werden
  • kann kaum von fixierten Interessen abgelenkt werden, bzw. kehrt rasch wieder zu ihnen zurück



    Asperger Syndrom im Spektrum