2.4.1
Beziehungen
Flirten
Wolkenfrosch:
Flirten fand ich immer gemein. Da bekommt man das Gefühl,
dass einen jemand mag, und dann wird man einfach fallengelassen. War
mir immer ein Rätsel, warum Mädchen oder Frauen so etwas machen,
ich habe die dann lange Zeit irgendwie für böse gehalten.
Inzwischen weiß ich,
dass es irgendwie dem Kennenlernen dienen soll, aber wie das geht,
weiß ich bis heute nicht. Ich kann einer Frau nicht zeigen, dass sie
mich interessiert, bzw. wenn ich das versuche, erfolgt keine
Reaktion. Wahrscheinlich kommt das irgendwie nicht an.
Ich könnte es ihr nur
sagen. Und damit habe ich schlechte Erfahrungen gemacht.
Spezialinteresse aus
Fleisch und Blut.“
Gabrijela
Mecky Zaragoza,.: Meine andere Welt; Vandenhoek & Ruprecht,
Göttingen 2012
„Für meinen ersten
Freund bin ich vier Jahre lang jedes zweite Wochenende nach Paris
gefahren, für meinen Mann bin ich nach Toronto und nach Mexiko-Stadt
gezogen. Der Autismus erwies sich in diesem Punkt paradoxerweise als
beziehungsförderlich: Gerade weil ich mir unter Menschen wie ein
Fremdkörper vorkam, nahm der eine Mensch, der zum Geliebten wurde,
eine ähnliche Rolle ein wie ein Spezialinteresse oder genauer: Er
wurde zum Spezialinteresse aus Fleisch und Blut.“ S. 83
2.4.2
Außenseiter-Erfahrungen
Eine
persönliche Gratwanderung zwischen Dazugehörigkeit und Rückzug
'Anders sein' als Problem
Dr.
Christine Preißmann: ..und dass jeden Tag Weihnachten wär. Weidler
Buchverlag:
(...) im Café: Ich freue mich, wenn Zeitungen und
Zeitschriften ausliegen, denn dort scheint es vorgesehen zu sein,
dass manche Gäste auch allein kommen und etwas lesen möchten, dort
wird man nicht gleich schief angesehen, wenn man ohne Begleitung am
Tisch sitzt. Ich fühle mich dort ganz wohl, aber doch merke ich,
dass manche Leute wohl auch deshalb in ein Café gehen, um sich mit
anderen Gästen zu unterhalten. Ich käme nie auf diese Idee, das
frustriert mich dann ein bisschen. Ich sitze dort und lese und bin
eigentlich ganz zufrieden, so lange, bis ich merke, dass andere Leute
in dieser Zeit Kontakte knüpfen. S. 53
Dr.
Christine Preißmann: ..und dass jeden Tag Weihnachten wär. Weidler
Buchverlag: (...) Aber oft werde ich bei solchen
Fortbildungen sehr traurig, wenn ich merke, dass es allen Leuten
außer mir offensichtlich gelingt, sich zu integrieren. Nur ich stehe
abseits. Nur ich habe niemanden. Und das Schlimmste ist, ich weiß
noch nicht einmal, wie ich es anstellen sollte, auch mit anderen
Leuten ins Gespräch zu kommen….Ich allein bräuchte diese Kontakte
auch nicht. Aber immer wieder zu sehen, wie sehr ich mich von den
Kollegen unterscheide, das ist es, was so frustrierend ist. S. 110
Pubertät
Dr.
Christine Preißmann: ..und dass jeden Tag Weihnachten wär. Weidler
Buchverlag: (...)
Ich hatte von Begriffen wie Liebe, Partnerschaft oder Sexualität
keine Ahnung, es waren nur abstrakte Begriffe, ich wusste nicht, was
sie bedeuteten, und ich wusste nicht, warum ich mich damit
beschäftigen sollte. Das interessierte mich nicht, aber die anderen
interessierte nichts anderes mehr.
In
dieser Zeit habe ich mich viel weiter entfernt von Gleichaltrigen als
in jeder anderen Phase meines bisherigen Lebens, der Unterschied war
so groß wie nie zuvor, und es waren diesmal wirklich bedrohliche
Zeiten für mich. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich merkte
nur, dass ich anders war, und ich begann, mich dafür zu hassen, dass
ich keinen Spaß und kein Interesse an den Dingen hatte, die anderen
jungen Menschen gefielen, dass ich anders war als sie. S. 89
2.4.3
Soziale Überforderung
Dr.
Christine Preißmann: ..und dass jeden Tag Weihnachten wär. Weidler
Buchverlag:
(...) Zum Übernachten suche ich mir eine nicht zu
kleine Unterkunft, wo es nicht persönlich oder „familiär“
zugeht. Das finde ich schrecklich. Einmal habe ich in einer kleineren
Pension übernachtet, da wurde ich morgens immer gefragt, was ich an
diesem Tag unternehmen wolle, und abends fragte man mich, wo ich
gewesen war, ob es mir gefallen habe und was ich für den nächsten
Tag plane. Ich fühlte mich so ausspioniert. Dort hatte ich keine
gute Zeit, obwohl ich die Stadt sehr mochte. Den meisten Leuten
gefällt es wohl, wenn sie auf diese Weise angesprochen werden, ich
finde es furchtbar. S. 53
Octavia:
Es scheint normal zu sein: Dass der erste Eindruck so gut wie falsch
ist - ja, nicht unbedingt vom Sehenden, sondern vom Gesehenen
ausgehend, sprich: Personen spielen ihre freundliche, distanzierte
Art, und je mehr es zu einer Intimität kommt, desto offener wird
degradiert und "belustigt".
Mindestens
40 Stunden in der Woche mit denselben Leuten zusammen sein, ihr
Gerede zu hören - welches oft nichts mit der Arbeit zu tun hat -
ihre Verhaltensweisen nicht einordnen zu können, ist primär Qual -
dahingehend, gestehe ich, habe ich bereits gedankliche Korrekturen
getroffen. Es ist mir weitaus lieber, zwei Nebenjobs zu haben als
einen Vollzeitjob mit derlei Umständen.
Ebenso
scheint es normal zu sein, dass eine Person in einer Konversation
unter vier Augen angenehmer ist als in einer Gruppe - ich kenne
dieses Phänomen schon lange und es ist mir schon genauso lange
schleierhaft - ich verstehe es nicht, ich verstehe ganz ganz ....
vieles überhaupt nicht.
Ich
versuche herauszufinden, was ich empfinde. Es ist viel Enttäuschung
dabei, viel Traurigkeit und irgendeine Art von Ärger/Wut/Zorn, weil
es kennend ist - vllt. auch Wut auf mich, dass ich etwas meinte, was
utopisch ist.
Es tut
mir weh wie das Geräusch eines Schlagbohrers weh tut - es zermürbt
mich, macht mich müde und zugleich ganz arbeitsam bzgl. meiner
privaten Projekte. Es ist wie eine Ohrfeige, wenn man sich vor fünf
Minuten gut mit jemandem unterhielt und dann plötzlich (nur weil
andere dabei sind) schlecht behandelt wird. Ich habe das geprüft, es
ist schlechte Behandlung und es käme mir nie in den Sinn, so zu
sein.
Ich
weiß, warum Menschen so sind; ich kenne die Motive und diese ganze
Art - und dennoch bin ich nicht immun, dennoch geht es nicht an mir
vorbei. Es sei ja nichts Persönliches ... da frage ich mich, mit wem
diese Leute gesprochen haben, mit mir ja wohl - oder mit einer
anderen Person? Was reden sie dann etwas über mich, was nicht für
mich bestimmt ist? (???)
Mag
ruhig alle Welt alles loben, was hier vonstattengeht - in ihrer
Unsensibilität sehen sie doch eh nichts ...
Ich kann
es nicht! Ich bin nicht dafür geschaffen. Ich bin nicht so wie jene.
Mir fehlt irgendetwas dahingehend ...
Ich
möchte auf der Arbeit über Arbeit sprechen, deshalb bin ich hier!
Was interessieren mich deren Abarten und falschen Meinungen?
Andererseits
sind da auch positive Dinge:
Einer,
der mir hilft, Ernst und Spaß auseinander zu halten.
Einer, der mich wohl sehr mag und der verstanden hat, dass ich klare Instruktionen will/brauche.
Einer, der mich wohl sehr mag und der verstanden hat, dass ich klare Instruktionen will/brauche.
Eine,
die heute fragte, was los sei.
Und eine, die ich nicht anschauen muss, weil sie das kennt.
Ich habe eh aufgehört, zwanghaft jemanden anzusehen.
Ich möchte lernen, zu akzeptieren, dass es nicht immer einen roten Faden in Gesprächen gibt. Und dass ich nicht gleich verzweifle, wenn etwas nicht funktioniert.
Und eine, die ich nicht anschauen muss, weil sie das kennt.
Ich habe eh aufgehört, zwanghaft jemanden anzusehen.
Ich möchte lernen, zu akzeptieren, dass es nicht immer einen roten Faden in Gesprächen gibt. Und dass ich nicht gleich verzweifle, wenn etwas nicht funktioniert.
2.4.4
Mobbing
Hans
Asperger: Heilpädagogik 1965: (...)
Auch aus der Gemeinschaft der Klassenkameraden fallen
sie vom ersten Augenblick an heraus. Schon einfach die Tatsache, dass
diese Kinder anders sind als die anderen, durch ihr ganzes Wesen von
der Herde abstechen, ist Grund genug, dass sie abgelehnt und
angegriffen werden – und Kinder haben für charakterliche
Besonderheiten anderer oft ein viel besseres Gefühl als Erwachsene
und sind im allgemeinen sehr schonungslos dagegen. Das ganze Gehaben
der Autistischen, ihre Redeweise, nicht zuletzt die oft groteske
Ungeschicklichkeit fordern ja zu Hänseleien geradezu heraus. (S.
183)
Sabine
Kiefner: Ich bin Autistin - Asperger Syndrom bei Frauen:
Auf dem Weg zur Schule
kamen wir an einem Haus vorbei, in dem man vom Bürgersteig aus durch
das geöffnete Fenster in einen Keller hineinschauen konnte. Dort
saßen ein paar dunkelhaarige Männer, die sich laut in einer mir
fremden Sprache unterhielten.
"Das sind
Spaghettifresser.“, sagte eines der Kinder. Ich hatte keine
Vorstellung davon, was mit dem Wort gemeint sein könnte und dass es
eine Beleidigung für Italiener war.
Die Kinder sagten mir,
meine Aufgabe sei es, lediglich dieses Wort im Vorbeigehen in den
Keller hinein zu rufen. Ich tat, was sie mir gesagt hatten, denn ich
wollte eine von ihnen sein und nicht – wie beim Turnen –
ausgelacht werden.
Sobald ich das Wort laut
in den Keller gerufen hatte, rannten die anderen Kinder mit großem
Gelächter davon und ließen mich vor dem Haus alleine stehen. Die
wütende Reaktion der Männer machte mir Angst und ich wusste in dem
Moment, dass ich etwas Falsches gemacht haben musste. Dieser Vorfall
hatte zur Folge, dass ich mich wochenlang nicht traute, an dem Haus
vorbei zu gehen. Die ersehnte Anerkennung bei den Nachbarskindern war
auch ausgeblieben, ganz im Gegenteil, sie machten sich lustig
darüber, dass ich so blöd war und nicht gewusst hatte, dass
„Spaghettifresser“ eine Beleidigung und damit etwas war, was man
nicht sagen durfte.
2.4.5
Isolation
„Buhmädchen“
Gabrijela
Mecky Zaragoza,.: Meine andere Welt; Vandenhoek & Ruprecht,
Göttingen 2012 „Wann immer ich jedoch versuchte,
mich meinen Mitschülern anzunähern, etwa, indem ich ein Gespräch
ankurbelte, mich an einem ihrer Spiele zu beteiligen suchte oder den
Klassenclown spielte, ging früher oder später etwas schief. Die
Wahrheit ist: Ich konnte nichts mit ihnen anfangen und sie nicht mit
mir, ich fühlte mich mit ihnen unbehaglich und sie mit mir. Es war,
als würden wir nicht die gleiche Sprache sprechen und doch sprachen
wir alle Deutsch. Während ich heute gern isoliert lebe, litt ich zu
Schulzeiten an meiner Außenseiterrolle.“ S. 72
Sabine
Kiefner: Ich bin Autistin - Asperger Syndrom bei Frauen:
Der Kokon -
Vom Innensein
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Ich bin in mir gefangen.
Das Leben draußen ist anstrengend.
Zu anstrengend, immer zu sein, was ich nicht bin
damit ich funktioniere.
Ich will nicht funktionieren.
Ich will sein.
Mensch sein.
Autistin sein.
In mir kann ich sein.
Nur in mir sein.
Alleinsein.
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Ich kann nicht hinaus.
Nicht aus mir herauskommen.
Alles bleibt in mir.
In mir bleibt alles Innenwelt.
Das Innen erreicht das Außen nicht.
Die Außenwelt ist fremd.
Außen ist Fremde.
Bin ich fremd.
Im Außen.
Fremde.
Fremd.
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Das Fühlen ist wortlos.
Mein Fühlen ist wortlos.
Wortloses Fühlen ist Schweigen.
Schweigen nach außen.
Aber das Fühlen schweigt nicht.
Fühlen schweigt nicht.
Fühlen ist in mir.
In mir ist Fühlen.
In mir ist
In mir.
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Das Fühlen ist wortlos.
Mein Fühlen ist wortlos.
Wortloses Fühlen ist Schweigen.
Schweigen nach außen.
Aber das Fühlen schweigt nicht.
Fühlen schweigt nicht.
Fühlen ist in mir.
In mir ist Fühlen.
In mir ist
In mir.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Ich bin in mir gefangen.
Das Leben draußen ist anstrengend.
Zu anstrengend, immer zu sein, was ich nicht bin
damit ich funktioniere.
Ich will nicht funktionieren.
Ich will sein.
Mensch sein.
Autistin sein.
In mir kann ich sein.
Nur in mir sein.
Alleinsein.
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Ich kann nicht hinaus.
Nicht aus mir herauskommen.
Alles bleibt in mir.
In mir bleibt alles Innenwelt.
Das Innen erreicht das Außen nicht.
Die Außenwelt ist fremd.
Außen ist Fremde.
Bin ich fremd.
Im Außen.
Fremde.
Fremd.
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Das Fühlen ist wortlos.
Mein Fühlen ist wortlos.
Wortloses Fühlen ist Schweigen.
Schweigen nach außen.
Aber das Fühlen schweigt nicht.
Fühlen schweigt nicht.
Fühlen ist in mir.
In mir ist Fühlen.
In mir ist
In mir.
Ich habe mich eingeschlossen.
Gefühle haben mich eingeschlossen.
Gefühle, die nicht nach außen dringen.
Das Fühlen ist wortlos.
Mein Fühlen ist wortlos.
Wortloses Fühlen ist Schweigen.
Schweigen nach außen.
Aber das Fühlen schweigt nicht.
Fühlen schweigt nicht.
Fühlen ist in mir.
In mir ist Fühlen.
In mir ist
In mir.
2.4.6
Wunsch nach sozialen Kontakten
Sabine
Kiefner: Ich bin Autistin - Asperger Syndrom bei Frauen:
(...) Dass Menschen mit
Asperger-Syndrom grundsätzlich Kontakte meiden, ist ein Irrtum.
Leider hält sich diese Behauptung aber immer noch sehr hartnäckig.
Selbst unter Fachleuten wird der Wunsch nach sozialen Kontakten
häufig noch als Ausschlusskriterium für Autismus gesehen. Dabei
steht nicht der Kontaktwunsch im Vordergrund, sondern die Fähigkeit,
Kontakte herzustellen beziehungsweise zu halten. Und darin liegt das
eigentliche Problem. www.aspergerfrauen.wordpress.com